Entspannung
 

Ein geübter Kämpfer kann stundenlang kämpfen, weil seine Muskeln nur dann arbeiten, wenn es nötig ist. Ein Anfänger kann nur ein paar Minuten kämpfen, denn seine Muskeln arbeiten die ganze Zeit. Im Dojo warten die Schüler, bis sie einer nach dem anderen, geübte ältere Mitglieder pausenlos angreifen können. Nach 10 bis 15 Minuten haben sie sich bis zur Erschöpfung verausgabt. Dann gehen sie in die Reihe zurück und warten, bis sie wieder aufgefordert werden, von einem andern erfahrenen Mitglied, und wieder bis zur Erschöpfung angreifen. Die alten Meistern hingegen kämpfen stundenlang ohne eine Pause. Wie ist es möglich, mit einem alten Körper so viel länger auszuharren? 

Zuerst gilt: Der Meister ist mutig! Die Angst hat er besiegt. Der Meister hat gelernt, eine Verletzung ohne jede Angst oder Ärger hinzunehmen. Den Ärger oder Zorn hat er ebenfalls besiegt. Die Kombination von Angst und Ärger kann die Ausdauer vollkommen zerstören. 

Der Meister übt dauernd einen Druck auf den Gegner aus. Dafür ist er selber vollkommen entspannt. Er hat gelernt, Deckungslücken sofort zu erfassen und nur die echten Deckungslücken anzugreifen.  

Der Anfänger hingegen muss die ganze Zeit angreifen, da er noch nicht gelernt hat Deckungslücke zu erkennen. Der Meister behält die Distanz, die für ihn die vorteilhafteste ist und kann darüber hinaus aus fast jeder Distanz Vorteile ziehen. Der Anfänger kümmert sich noch nicht genügend um die richtige Distanz und ist sich deren Bedeutung gar nicht bewusst. 

Der Meister kontrolliert den Zeitpunkt. Das bedeutet dass er die Wahl des richtigen Zeitpunktes, sich zu bewegen, nach vorne zu springen, zuzuschlagen, beherrscht. Diese Kontrolle des Zeitpunktes ist von Wichtigkeit, es erlaubt ihm, sich nur dann zu bewegen, wenn es für ihn zum Vorteil wird. Der Anfänger dagegen erkennt nicht, wenn es für ihn vorteilhaft ist, sich zu bewegen, und so bewegt er sich die ganze Zeit. 

Der Meister kontrolliert den Kampf geistig. Er entscheidet was passieren wird. Die Angriffe des Anfängers erschrecken ihn nicht, und er reagiert immer richtig. Nichts kann ihn überraschen, weil er geistig auf alles vorbereitet ist. Der Anfänger ist ständig überrascht, weil er gar nicht weiss, was er eigentlich tun sollte. 

Ganz offensichtlich bedeutet meisterliches Kämpfen gleichzeitig entspanntes Kämpfen. Ein Meister hat einmal gesagt: "Wenn du mit derselben Gemütsruhe kämpfen kannst, wie du ein gutes Mahl verzehrst, dann bist du wirklich ein Meister." 

Bedeutet dies, dass ein Anfänger sich passiv und nachdenklich verhalten muss? Bestimmt nicht, denn es gibt keinen abgekürzten Weg zur Meisterschaft. Der Anfänger lernt, sich zu entspannen, in dem er bis zur Erschöpfung übt und sich bemüht. Beim Kämpfen lernt er, die Schwächen zu erkennen, indem er aktiv kämpft und nicht eine passive Haltung einnimmt. Die richtige Distanz findet er, indem er aus allen möglichen Entfernungen angreift und nicht indem er immer seinen Abstand misst. Das richtige Timing lernt er, wenn er jedes mögliche Timing ausprobiert, und nicht durch Theorie oder Zusehen. 

Entspannung und Meisterschaft können nicht erzwungen werden. Sie sind das Ergebnis langer, harter Arbeit mit Tausenden von Gegnern. Der Anfänger hat keine Alternative, er muss diese harte Arbeit auf sich nehmen. Natürlich muss er die Angst und vor allem die Verkrampftheit meiden. Entspannung kann er lernen, speziell wenn er die Grundtechniken übt. Auch wenn er mit einem schwächeren Gegner arbeitet, sollte er sich gewissenhaft bemühen, entspannt zu sein. Die eigene Überlegenheit sollte einem helfen zu dieser Entspannung. Doch auch wenn der Gegner überlegen ist, sollte man nicht in einen wilden überreizten Kampf verfallen. Man verliert nur die Kontrolle und macht keine Fortschritte. Manchmal ist es um Fortschritt zu machen besser, gut zu verlieren als schlecht zu gewinnen. Klar bei einem richtigen Kampf gilt dies nicht. Den muss man gewinnen, egal wie.

 



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